OK, ich habe es überstanden: Das Hurricane Festival 2017 in Scheeßel. Seit einigen Jahren besuche ich dieses fast jährlich. Zuerst in einer größeren Gruppe mit einigen Kumpels, seit einigen Jahren (wie auch in diesem) nur noch zu zweit mit meiner Frau. Es ist natürlich etwas anderes, in einer größeren Gruppe zu fahren. Die Wartezeiten zwischen Bands lassen sich mit mehr Menschen auf jeden Fall besser überbrücken und auch was Verpflegung und Ausstattung des Camps angeht hat man mit mehr Leuten auch mehr Flexibilität. Aber auch zu zweit hat es (wie meistens) viel Spaß gemacht. Im Folgenden dann alles, was ich für erwähnenswert halte.
Die Anreise
Seit einigen Jahren ist der Donnerstag fester Anreisetag für die meisten (oder zumindest sehr viele) Festivalbesucher. So sollte es auch in diesem Jahr für uns sein. Aber am Donnerstagmorgen wurden wage Erinnerungen an das vergangene Jahr wachgerüttelt: Es kam zu Gewittern und unwetterartigen Regengüssen. Die bereits angereisten Besucher wurden gebeten wieder in ihren Autos zu warten, die Bändchenausgabe und der Einlass auf den Campingplatz verzögerten sich. Da wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor Ort waren, war das für uns noch uninteressant. Wichtiger war es da, dass ab einem gewissen Zeitpunkt vom Veranstalter (FKP Scorpio) darum gebeten wurde erst am Freitag anzureisen, falls man sich noch nicht auf den Weg gemacht hatte. Nun gut. Somit konnten wir dann eine weitere Nacht in den eigenen vier Wänden verbringen und noch einmal bequem ausschlafen.
Am Freitagmorgen wurde es dann aber ernst: Wir machten uns bei ordentlichem Wetter (nicht zu kalt und trocken) mit dem bereits für Donnerstag gepackten Auto auf den Weg nach Scheeßel. Da wir den Weg bereits kennen gab es da keine negativen Überraschungen. Eher im Gegenteil: Staus? Fehlanzeige. Weitere Änderung im Vergleich zu vergangenen Jahren? Dazu ist ein kleiner Exkurs nötig:
Das Hurricane bietet seit einigen Jahren einen etwas gesitteteren, saubereren Campingplatz namens Greencamp an. Dort lässt es sich entspannter Zelten, da man nicht Gefahr läuft von einer umherfliegenden Dose Ravioli am Kopf getroffen zu werden. Für diese speziellen Campingflächen ist eine vorherige Anmeldung nötig. Und neu in diesem Jahr: Es wurden separate Anmeldungen für zwei an unterschiedlichen Enden der Campingflächen liegende Greencamps verlangt. Wir hatten uns ursprünglich für den “West”-Bereich angemeldet. Dieser lag ungefähr da, wo wir bisher immer zelteten, ist relativ nah am Gelände und wie gesagt: Wir kennen die Gegend. Allerdings hatten wir über die sozialen Medien bereits mitbekommen, dass dieser Zeltplatz bereits voll wäre. Deshalb haben wir uns vorgenommen, gleich den anderen Bereich, für den wir eigentlich keine Anmeldung hatten, anzufahren. Back to Topic:
Wir fuhren also einmal um das Gelände herum und hatten Glück: Auf dem näher gelegenen Parkplatz waren noch vereinzelte Plätze frei und so hatten wir einen Luxus, den wir lange nicht hatten: Einen Parkplatz, der nicht besonders weit von unserem Camping-Platz entfernt war. Das hieß wiederum, dass wir unser Gepäck nicht besonders weit tragen mussten und schnell ein lauschiges Plätzchen auf dem Zeltplatz finden konnten. Einer der Vorteile eines kleinen 2-Mann-Camps ist es eben, dass bereits wenig Platz ausreicht 😉 Und nachdem wir unser Zelt bei inzwischen bestem Wetter aufgeschlagen, unser Gepäck verstaut und das erste mitgebrachte Bier intus hatten, ging es auch schon los.
Der Freitag
Wir begannen mit einem kleinen Rundgang. Denn obwohl wir inzwischen wohl zu den alten Hasen zählen, ist das Layout des Geländes doch von Jahr zu Jahr leicht unterschiedlich. Und zumindest ich finde es interessant zu wissen, wo sich ungefähr was befindet. Den musikalischen Auftakt auf den Open-Air-Bühnen (womit ich explizit die Warm-Up-Party am Donnerstag im White-Stage-Zelt ausschließe 😉 ) machte dann das Hurricane Swimteam, welches den vom Festival-Publikum getexteten und von Christoph “Stoffi” Karrasch arrangierten Song Am sichersten seid ihr im Auto zum Besten gaben.
Danach ging es dann mit “echten” Bands weiter: Für uns eröffneten Neonschwarz aus Hamburg mit einer Portion norddeutschem Hip-Hop inklusive sozial-kritischen und zum Nachdenken anregenden Texten das professionelle Musik-Programm. Unterhaltsamere Töne schlug für uns danach die Folk-Punk-Band Flogging Molly an. Mit klassischer Folk-Besetzung mit Mandoline, Akkordeon und Geige wurde zum Tanzen angeregt. Im Hintergrund wurde danach sanfteren Tönen vom Electrofolk-Duo Milky Chance bzw. Gitarren der härteren Gangart der (Ska-)Punk-Band Rancid gelauscht. Wieder aktiv wurde dann der bekanntesten unbekannten Band der Welt aka. SDP zugehört. Mit einer Kombination aus Rap und Pop mit gelegentlichen Ballermann- und Mitgröhl-Einflüssen wurde dem doch bereits relativ großen Publikum eingeheizt. Mit dabei war natürlich auch die inoffizielle Hymne aller Festivals: Die Nacht von Freitag auf Montag.
Den Abschluss des Freitags markierte die selbsternannte Powerpop-Band Green Day. Im Gepäck hatten sie einen wunderbar aufgelegten Billie Joe Armstrong (der zwischendurch nur ein klein wenig mit zu vielen “Hey-Ho”-Spielchen nervte, worüber sich auch am nächsten Tag noch von Montreal lustig gemacht wurde) sowie alle bekannten Hits wie American Idiot, Basket Case, When I come around oder die aktuelle Single Revolution Radio mit denen sie locker die eigentlich nur den Ärzten vorbehaltene Rekord-Spielzeit von 2,5 Stunden füllen konnten. Viele Besucher hatten sich hierbei über mangelnde Lautstärke beschwert. Und obwohl ich nichts dagegen gehabt hätte wenn etwas weiter aufgedreht worden wäre, kann ich mich doch nicht beklagen, da alles immer gut zu hören war.
Samstag
Der Samstag begann Wetter-mäßig bescheiden. Und auch wegen des leichten bis mäßigen Quasi-Dauerregens sind wir erst relativ spät auf den Eichenring gepilgert. Mit dem Beginn des Konzerts von Singer-Songwriter Passenger, der im Laufe des Auftritts auch einige Songs ganz klassisch nur begleitet von seiner Akustik-Gitarre spielte, schwenkte dann allerdings das Wetter wieder um. Und es sollte bis zum Ende des Tages dann auch fast durchgehend trocken bleiben. Für uns stand dann als nächstes die deutsche Punk-Rock-Band Montreal auf dem Plan. Diese spielte bereits am Donnerstag während der Warm-Up-Party und feierte dabei die Veröffentlichung ihres neuen Albums Schackilacki. Trotzdem (oder gerade deshalb?) waren sie aber auch Samstag bestens aufgelegt und hatten und bereiteten über die komplette Spielzeit durchgehend Spaß. Ähnliches galt auch für die neuseeländische Pop-Sängerin Lorde, welche während ihres Auftritts immer wieder glaubhaft und sympatisch versicherte, wie surreal es für sie wäre, vor so einer Menschenmenge zu spielen.
Schon eher solche Auftritte gewohnt sind wohl die Punk-Rocker von blink-182. Und hier kommen wir zum ersten musikalischen Schwachpunkt des Wochenendes: Denn obwohl ich die Songs immer noch mag hält vermutlich nur noch die Nostalgie diese Band in den Line-Up-Höhen, in denen sie sich derzeit noch wiederfindet. Denn seien wir mal ehrlich: Der Auftritt war nicht gut. Ich kann nicht einschätzen wie es tatsächlich um die musikalischen Fähigkeiten der drei US-Amerikaner bestellt ist, doch wollte der Funke gerade was den Gesang angeht nicht wirklich überspringen und es scheint, als würde Tom DeLonge doch arg fehlen. Und so blieb, auch weil die Technik der Band mit Sound-Aussetzern in den Rücken fiel und obwohl alle üblichen Verdächtigen gespielt wurden, ein fader Nachgeschmack und ich erinnerte mich an bessere Auftritte z.B. in 2012.
Zum Ende des Tages wurde ich dann aber doch noch einmal positiv überrascht: Linkin Park gaben sich in Scheeßel die Ehre. Und wer die jüngste Vergangenheit der Band ein wenig verfolgte hat bestimmt mitbekommen, dass sie für ihr jüngstes Album One more Light nicht nur Zuspruch ernteten. Denn es klingt so “weichgespült” wie noch kein Album der Band vorher. Und ich war skeptisch, wie sich das auf ihren Auftritt auswirken würde. Aber direkt nach den ersten Songs wurden zwei Dinge klar: 1.: Sie wissen genau was sie tun und haben mit dem Auftritt einen Gesamteindruck hinterlassen, der mich doch ein wenig beeindruckt hat und 2.: Gerade im Vergleich zu den zuvor gesehenen blink-182 hatten sie musikalisch doch wesentlich mehr drauf (und der Sound war auch endlich wieder etwas besser). Und so wurde ein buntes Potpourrie von alten und neuen, ruhigen und krachenden Songs gespielt, was sich dann halt am Ende doch sehr stimmig angefühlt hat und ich habe es somit nicht bereut, sie auch endlich mal live gesehen zu haben (obwohl ich immer noch am Zweifeln bin, ob ein Besuch der komplett parallel spielenden Irie Révoltés nicht befriedigender gewesen wäre).
Sonntag
Der Sonntag startete für uns mit den 257ers aus Essen. Wie erwartet haben sie einen ziemlichen Abriss zelebriert und das Publikum wollte zu großen Teilen auch genau diesen sehen. Mir persönlich war es zeitweise doch zu flach, insgesamt hat es aber doch Spaß gemacht. Ähnliches gilt für Jennifer Rostock. Musikalisch haben sie recht gut abgeliefert, jedoch gingen die all zu flachen Ansagen und Schreiereien nach “Schnäppschen” dann doch irgendwann auf den Geist. Und so ist der Eindruck doch ein wenig getrübt. Als nächstes standen die Schweden von Mando Diao auf dem Plan. Und hier bin ich etwas hin- und hergerissen: Einerseits war es musikalisch gut. Und auch bei den Hits, die sie zweifellos hatten und die sie dann auch gespielt haben, hat es durchaus Spaß gemacht. Andererseits ist bei den meisten anderen Songs der Funke nicht übergesprungen und so bin ich wie gesagt zwiegespalten. Im Endeffekt bleibt dann doch eher Enttäuschung, vor allem weil ich sie bereits vor einigen Jahren live erlebt habe und da doch mehr von mitgenommen habe.
Ganz anders bei Me First and the Gimme Gimmes: Die Punk-Rock-Cover-Supergroup aus San Francisco machte durchgehend Spaß, was höchstwahrscheinlich auch daran lag, dass man durchgehend fast alle Songs kannte und dementsprechend mitsingen und -feiern konnte. Den Abschluss des Sonntags machte dann Casper. Der deutsche Rapper mit der markant-rauen Stimme hatte seine Live-Band dabei und zog zum Abschluss noch einmal alle Register. Zwischen eher in die Rock-Richtung gehenden und “echten” Hip-Hop-Stücken stand dabei der sympathische Westfale, der ähnlich wie Lorde nicht wirklich glauben konnte, dass er einen Headliner-Posten auf einem der größten deutschen Major-Festivals inne hat. Und so ging man zufrieden zum Zeltplatz zurück um am nächsten Tag dann einigermaßen ausgeruht die Heimreise anzutreten.
Und sonst so?
Tja, was gibt es noch zu sagen? Die Organisation und das Sicherheits-Konzept scheint in diesem Jahr etwas unausgereift gewesen zu sein. Denn obwohl wir selbst keinen Grund hatten uns zu beklagen (bzw. keine negativen Auswirkungen zu spüren bekamen), so gab es doch Stimmen, die gegenteiliges behaupten. So war die Rede von Security-Mitarbeitern, die zu lasch kontrollieren, andererseits aber auch Wartezeiten von weit über 30 Minuten an Einlässen oder mangelnde Kommunikation, wenn Mitarbeiter nicht ausreichend informiert waren um allgemeine Fragen zu beantworten.
Die Verpflegung hingegen ist definitiv und in allen Belangen ein Plus-Punkt. Als erstes ist da der Penny-Markt zu erwähnen. Mit einem umfangreichen Sortiment zu handelsüblichen Preisen konnte man sich mit den meisten Konsumgütern direkt auf dem Festival eindecken. Die Wartezeiten am Einlass waren meist kaum vorhanden und auch an den Kassen stand man selten länger als in normalen Supermärkten. Auch zur Verpflegung gehört das Food-Line-Up. Hierbei gibt es neben Festival-Klassikern (Matta-Platte, China-Imbiss oder Handbrot) auch immer wieder Außergewöhnliches wie bspw. den Lachs-Döner, Wildschwein-Burger oder Deluxe-Hot-Dogs mit 3 Saucen und ordentlich Topping. Alles was wir probiert haben war durchaus mindestens genießbar in den meisten Fällen sogar echt lecker. Die Preise sind natürlich höher als bei Imbiss-Buden und eventuell manchmal nicht ganz gerechtfertigt aber meistens doch noch fair. Wir bewegen uns hier allerdings am oberen Ende der Skala und Preiserhöhungen sollte es meiner Meinung nach nicht geben.
Das Wetter… Tja, das leidige Thema. Die gute Nachricht: Es war auf jeden Fall besser als 2016. Matschig war es wegen der Regenfälle von Donnerstag und während der Nächte trotzdem und den Regenponcho hatten wir auch durchgehend am Mann, mussten ihn dann aber während der Auftritte kaum bis selten benutzen.
Und das war dann auch endlich unser Erlebnis auf dem diesjährigen Hurricane Festival. Die Karten für 2018 gibt es übrigens auch bereits und wir haben zumindest unsere auch bereits bestellt 😉